Abwasserzweckverband Pfattertal: Fragen und Antworten zur Rolle des Landratsamts

Regensburg (mr). Im Jahr 2010 hat eine Überprüfung des Abwasserzweckverbandes Pfattertal (AZV) und seiner Tochterunternehmen durch den Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband und die staatliche Rechnungsprüfung im Landratsamt stattgefunden. Im Zuge dessen wurden unerlaubte Finanzierungsmodelle aufgedeckt, die für den Abwasserzweckverband einen Schaden in Millionenhöhe verursacht hatten.

Maximilian Sedlmaier, Landrätin Tanja Schweiger, AZV Vorsitzende Angelika Ritt-Frank und Udo Lohr (v. l.) stellen den Prüfbericht vor.
Maximilian Sedlmaier, Landrätin Tanja Schweiger, AZV Vorsitzende Angelika Ritt-Frank und Udo Lohr (v. l.) stellen den Prüfbericht vor.

Die neue Vorsitzende des AZV, Angelika Ritt-Frank, hat beim Landratsamt Regensburg eine vorgezogene Rechnungsprüfung des Abwasserzweckverbands und seiner Tochtergesellschaften beantragt, die von der staatlichen Rechnungsprüfungsstelle im Landratsamt sofort vorgenommen wurde und die heute vorgestellt wird. Sowohl Landrätin Tanja Schweiger als auch die Vorsitzende Angelika Ritt-Frank legen viel Wert auf eine schnelle Aufarbeitung der Vergangenheit.

Landrätin Tanja Schweiger ist bereits in ihrer Zeit als Landtagsabgeordnete immer dafür eingetreten, das Finanzgebaren des Abwasserzweckverbandes Pfattertal und seiner Tochterunternehmen vollständig aufzuklären und hat dabei auch das Vorgehen der Bürgerinitiative unterstützt. „In den letzten vier Jahren hat eine intensive rechtsaufsichtliche Beratung des AZV Pfattertal durch das Landratsamt stattgefunden, unter anderem zu Satzungsfragen, zum Haushalt, zur Gebührenkalkulation oder zur Aufarbeitung der Derivatgeschäfte, immer mit dem Ziel, eine größtmögliche Transparenz für die Bürgerinnen und Bürger zu erreichen“, erklärt Landrätin Tanja Schweiger. Rund 350 Emails und zahlreiche Beratungsgespräche über die letzten vier Jahre hinweg belegen, dass eine intensive Beratung des AZV Pfattertal von Seiten des Landratsamts stattgefunden habe. „Wir haben uns nicht nur auf unsere Pflichtaufgaben beschränkt, sondern auch sehr intensiv beraten“, betont Landrätin Tanja Schweiger. Dies werde auch in Zukunft weiter so gehandhabt.

In der Öffentlichkeit ist aber nicht immer klar ersichtlich, welche Rolle das Landratsamt bei der Aufarbeitung des Falls „Abwasserzweckverband Pfattertal“ spielt und spielen darf. Deshalb wenden sich immer wieder Bürgerinnen und Bürger mit Fragen an uns. Gerade hinsichtlich des Vollstreckungsverfahrens gegen den ehemaligen Verantwortlichen des AVZ herrscht Unverständnis darüber, dass das Landratsamt sich hier nicht „einmischen“ kann. Dieses Verhalten wird dann manchmal fehlinterpretiert. Die Pressestelle des Landratsamts fasste die wichtigsten Fragen zusammen und lies diese durch die Kommunalaufsicht im Landratsamt Regensburg beantworten.

1. Was ist allgemein die Aufgabe der Kommunalaufsicht im Landratsamt gegenüber von Zweckverbänden?

Kommunen können sich zur gemeinsamen Erfüllung von Aufgaben zu einem Zweckverband zusammenschließen und diesem einzelne Aufgaben oder alle mit einem bestimmten Zweck zusammenhängenden Aufgaben übertragen.
Zweckverbände sind Körperschaften des öffentlichen Rechts und verwalten ihre Angelegenheiten im Rahmen der Gesetze unter eigener Verantwortung.

Zweckverbände von Gemeinden unterliegen wie einzelne Gemeinden der Rechtsaufsicht durch das Landratsamt. Das bedeutet, das Landratsamt kontrolliert, ob die Zweckverbände ihre Aufgaben in Einklang mit den bestehenden Gesetzen erledigen.

2. Was ist die Rolle der Staatlichen Rechnungsprüfung im Landratsamt?

Derzeit liegen fünf Zweckverbände im Landkreis in der Zuständigkeit der staatlichen Rechnungsprüfungsstelle. Deren Aufgabe ist es, diese Zweckverbände überörtlich zu prüfen. Anzustreben ist dabei ein Prüfungszeitraum von vier Jahren.

3. Welche Bereiche werden bei der Rechnungsprüfung von Zweckverbänden allgemein untersucht?

Die Prüfung umfasst hauptsächlich das Haushalts-Kassen-Rechnungswesen, die Einhaltung kommunalrechtlicher Zuständigkeiten und Vorgaben, die Vergaberechtsverfahren inkl. Europarecht, den Kernbereich der Tätigkeit (Kalkulationen, Kostendeckung, etc.), das Personalwesen und den Datenschutz.

4. Welche Rolle hat das Landratsamt speziell bei der Aufarbeitung des Finanzgebarens des AZV in den letzten Jahren gespielt?

Durch die Überprüfung durch den Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband und die staatliche Rechnungsprüfung im Landratsamt ist der Fall überhaupt erst aufgerollt worden. In enger Zusammenarbeit mit dem AZV konnte das alte System nach und nach verbessert und mehr Transparenz geschaffen werden. Das Landratsamt war in den letzten vier Jahren vor allem beratend und unterstützend für den AZV tätig z.B. bei Satzungsfragen, zum Haushalt, zur Gebührenkalkulation oder zur Aufarbeitung der Derivatgeschäfte. Die eigentliche Verbandsarbeit kann das Landratsamt hierbei allerdings nicht ersetzen. Auch als Rechtsaufsicht kann das Landratsamt nur einschreiten, wenn der AZV rechtswidrig handelt. Dies war allerdings nicht der Fall, weil AZV und Landratsamt in ständigem Kontakt standen.

5. Was sind die Ergebnisse des aktuellen Prüfberichts?

Die Prüfung nahm 64 Tage in Anspruch und untergliedert sich in zwei Teilbereiche: Die Überörtliche Prüfung der Jahresrechnungen 2010–2013 des Zweckverbands zur Abwasserentsorgung im Pfattertal (AZV) mit Betätigungsprüfung hinsichtlich des Kommunalunternehmens VBA und der nachgeordneten BSM mbH (49 Seiten) und die Prüfung der Gebührenkalkulation (59 Seiten).

Bei der Prüfung des AZV wurden Feststellungen zur Kassensicherheit und zu den Kosten für externe Berater getroffen. Früher führte der Geschäftsleiter des AZV auch Kassengeschäfte aus. Die Dienstanweisung für die Kasse muss jetzt unter Wahrung des „Vier-Augen-Prinzips“ neu erstellt werden. Die Prüfung ergab auch, dass Kosten für externe Berater anfielen, weil Der Verwaltungsrat in vorheriger Besetzung z.B. unnötig eine Rechtsberatung beauftragt hatte. Darüber hinaus waren die Kosten für die Berichtigung einer Gebührenkalkulation weiterhin von einer bereits bezahlten Pauschale gedeckt und wurden daher ohne Rechtsgrund erneut und somit doppelt bezahlt. Durch die Prüfungsfeststellungen der staatlichen Rechnungsprüfungsstelle konnte der AZV den gesamten Betrag (14.155 Euro) bei der Vermögenseigenschadenversicherung melden, so dass zumindest finanziell kein Schaden entstanden ist.
Bei der Prüfung der Gebührenkalkulation wurden zahlreiche Fehler bei der Berechnung des Betreiberentgelts, dass die VBA an die BSM mbH entrichten muss (z.B. falsche Berechnungen für die Kostenzuschläge für Abschreibungen, Klärschlamm und Energie) und bei der erforderlichen Umrechnung für die Gebührenkalkulation (z.B. überhöhter Abzug von Abschreibungen, die bei den kalkulatorischen Kosten anzusetzen sind) festgestellt. Diese Fehler führten letztlich dazu, dass das Abrechnungssystem beim Betreiberentgelt als unbrauchbar zu werten ist. Die Vorsitzende Angelika Ritt-Frank hat umgehend und richtig auf den Prüferhinweis reagiert und in enger Abstimmung mit dem Landratsamt eine Neuordnung der Abrechnungspraxis eingeleitet. Das neue System ist dadurch gekennzeichnet, dass es möglichst einfach ist, frühere Fehlerquellen werden beseitigt.

Die Rechnungsprüfung hat an sich nur die Aufgabe, Fehler festzustellen. Deren Aufarbeitung ist dann die Pflicht des Zweckverbands. Im Auftrag der Rechtsaufsicht hat jedoch der Rechnungsprüfer des Landratsamts Regensburg die Verwaltung des AZV darüber hinaus bei der Lösung der gefundenen Defizite beraten und tatkräftig unterstützt.

6. Welche Konsequenzen ergeben sich für den AZV aus der aktuellen Rechnungsprüfung?

Das festgestellte fehleranfällige Regelungsgestrüpp wird gemäß den Vorgaben des Landratsamtes durch ein einfaches, jederzeit nachvollziehbares Regelungswerk ersetzt. Die vertragliche Sicherung der Umstellung der Regelungen bezüglich des Betreiberentgelts soll demnächst erfolgen. Da die bisherige Vertragslage nicht dem Willen der Beteiligten entsprach, erfolgt eine rückwirkende Neugestaltung zum 01.01.2011. Die neue Gebührenbedarfsberechnung mit Nachkalkulation soll noch in diesem Jahr erfolgen.

7. Was ist der aktuelle Stand in den gerichtlichen Verfahren des AZV?

Die Verfahren des AZV gegen die Commerzbank und die Hypovereinsbank wurden mit einem Vergleich abgeschlossen. Der AZV ist über den Ausgang der Verfahren sehr zufrieden.
Das verwaltungsgerichtliche Verfahren gegen den ehemaligen Geschäftsführer Joachim S. endete mit einer Verurteilung zu einer Zahlung von rund 56.000 Euro. Der AZV unternimmt immer wieder Vollstreckungsbemühungen, bislang jedoch ohne Erfolg. Auf Anfrage des Landratsamts teilte das Landgericht Regensburg mit, dass in der Strafsache gegen Joachim S. noch kein Termin bestimmt wurde. Ansprechpartner für dieses Verfahren sind ausschließlich die Staatsanwaltschaft und das Landgericht Regensburg.

8. Kann die Kommunalaufsicht im Landratsamt Regensburg nicht darauf hinwirken, dass der ehemalige Verantwortliche des AZV endlich die Strafe bezahlt?

Nein. Eine Vollstreckung kann nur ein Gläubiger einleiten, und das ist der AZV. Die Kommunalaufsicht könnte nur bei einem rechtswidrigen Verhalten des AZV einschreiten. Der AZV unternimmt aber immer wieder Vollstreckungsbemühungen gegenüber dem ehemaligen Geschäftsführer. Der AZV kommt seinen Pflichten freiwillig und selbstständig nach. Die Kommunalaufsicht kann damit leider nichts beschleunigen.