Regensburg (RL). Auf Einladung des Landkreises Regensburg waren kürzlich der Wirtschaftswissenschaftler, Prof. Dr. Lorenz Jarass und Rechtsanwalt Dr. Gerhard Spieß von der Münchener Anwaltskanzlei Döring und Spieß ins Landratsamt gekommen, um die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister der Landkreiskommunen über das anstehende Thema SüdOstLink zu informieren. Diese Hochspannungsgleichstromleitung soll von Wolmirstadt bei Magdeburg bis zum Standort „Isar“ bei Landshut führen und wird dabei aller Voraussicht nach durch den Landkreis Regensburg geführt. Im Rahmen der Bundesfachplanung erarbeitet derzeit TenneT einen Trassenkorridor. Ein erster Vorschlag für den Trassenkorridor soll im Herbst 2016 veröffentlicht werden.
Auf Einladung des Landkreises Regensburg kamen der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Lorenz Jarass und der Rechtsanwalt Dr. Spieß ins Landratsamt, um die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister über das anstehende Thema SüdOstLink zu informieren.
Prof. Jarass informierte darüber, dass die Bundesregierung einen grundlegenden Umbau der deutschen Energieversorgung beschlossen habe. Bereits 2022 werde das letzte Kernkraftwerk vom Netz gehen, Deutschland soll ab 2050 nur noch halb so viel Energie verbrauchen wie im Jahr 2008 und mindestens 80 Prozent des Stromverbrauchs mit erneuerbarem Strom decken. Der aktuelle Netzentwicklungsplan mit Zieljahr 2025 fordere fast 10.000 km neue Stromleitungen bei Investitionskosten von über 25 Mrd. Euro. Dabei stellte Prof. Jarras die Frage in den Raum, ob diese Leitungen tatsächlich für erneuerbaren Strom erforderlich seien. Schon heute übersteige die momentane Stromproduktion immer häufiger den Stromverbrauch im nördlichen Deutschland, zukünftig sogar deutschlandweit. Gleichzeitig gebe es aber auch Zeiten ohne Wind- und Sonnenstrom. Wie diese Dunkelflauten überbrückt werden können, sei die eigentliche Zukunftsherausforderung. Ob eine gesicherte Stromversorgung weiterhin durch Kohlekraftwerke – wie vorgesehen – garantiert werden soll, stellte der Wirtschaftswissenschaftler dabei in Frage. Wesentliche Herausforderung sei die Synchronisierung von Stromverbrauch und Stromproduktion und damit verbunden ein Maßnahmenmix zur wechselseitigen Anpassung von konventioneller Stromproduktion und Stromverbrauch. Prof. Jarras sei davon überzeugt, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck erweckt werde, dass Reservekraftwerke insbesondere für die Absicherung der süddeutschen Stromversorgung bei Dunkelflauten erforderlich seien. Untersuchungen der Bundesnetzagentur zum Reservekraftwerksbedarf würden aber zeigen, dass in den nächsten Jahren Reservekraftwerke nicht bei niedriger erneuerbarer Stromproduktion erforderlich seien, sondern vielmehr ausschließlich zur Absicherung des Kohlestromexports bei einem Stromüberschuss. „Konventionelle Kraftwerke müssen bei hoher erneuerbarer Stromproduktion laut herrschender Rechtsmeinung nicht zurückgeregelt werden, sondern haben einen Rechtsanspruch auf gesicherte Einspeisung“, so Prof. Jarras. Deshalb würden im benachbarten Ausland teurere konventionelle Kraftwerke zurückgefahren und billigerer deutscher Strom, vor allem deutscher Kohlestrom, in großen Mengen vom Ausland eingekauft. Dieser deutsche Stromexport führe zu einer enormen Belastung des bestehenden deutschen Stromnetzes von Nord nach Süd und in wachsendem Umfang auch in Richtung Polen.
Der aktuelle Netzentwicklungsplan mit Zieljahr 2025 fordere einen Netzausbau für den Export von Kohlestrom zeitgleich zu hoher erneuerbarer Stromerzeugung. Wenn man aber die erneuerbare Stromproduktion ausbaue und die konventionellen Kraftwerke auch bei hoher erneuerbarer Stromproduktion weiter einspeisen lassen wolle, sei offensichtlich ein massiver Netzausbau erforderlich.
Auch der seit Ende Februar 2016 vorliegende zweite Entwurf des Netzentwicklungsplans 2025 habe gravierende Defizite, wodurch die gesamte Bedarfsanalyse dieses Netzentwicklungsplans fragwürdig sei. Bei der Optimierung der Netzausbauplanung würden nur die Brennstoffkosten der Kraftwerke berücksichtigt, nicht jedoch die Kosten des hierfür gegebenenfalls erforderlichen Netzausbaus, woraus ein überhöhter Netzausbau resultiere. Der überhöhte Netzausbau ermögliche dabei den Weiterbetrieb von ost- und westdeutschen Braunkohlekraftwerken, wodurch süddeutsche Gaskraftwerke und lokale Investitionen für die Energiewende endgültig unwirtschaftlich gemacht würden. Ebenso würden kostengünstige Möglichkeiten zur Erhöhung der Übertragungsleistung ohne Netzneubau, wie auch der Neubau von Reservekraftwerken in Süddeutschland, unzureichend berücksichtigt.
Laut Bundesnetzagentur sei der SüdOstLink erforderlich, weil es nach dem massiven Zubau erneuerbarer Energien in Thüringen und Sachsen-Anhalt zu Engpässen im Stromtransport nach Bayern komme. Der geplante Netzausbau sei nach den im Netzentwicklungsplan gemachten Angaben ganz überwiegend nicht für die Integration von erneuerbarem Strom erforderlich. Die deutschen Stromverbraucher müssten diesen überhöhten Netzausbau, der über 25 Mrd. Euro kosten soll, durch weitere Strompreiserhöhungen bezahlen. „Bisher wird noch gar nicht untersucht, welcher Netzausbau nur für die Integration des erneuerbaren Stroms erforderlich wäre. Erst nach einer entsprechend erforderlichen Neuberechnung des Netzentwicklungsplans 2025 wissen wir, ob und in welchem Umfang neue Stromleitungen für die Energiewende erforderlich sind“, so Prof. Jarras. Besonders wichtig war dem Wirtschaftswissenschaftler abschließend der Hinweis zum Verfahren. „Wer bei der Bundesfachplanung keine Einwendungen gegen einen vorgeschlagenen Trassenkorridor erhoben hat, kann beim späteren Planfeststellungsverfahren keine Einwendungen erheben“, so Prof. Jarras.
Rechtsanwalt Dr. Gerhard Spieß erläuterte den Teilnehmern der Konferenz anschließend die rechtlichen Zusammenhänge bei der Planung von Stromtrassen. Er wies darauf hin, dass in einem ersten Schritt die Planung des Trassenkorridors anstehe. In diesem Verfahren, der sogenannten Bundesfachplanung, werde ein dann feststehenden Korridor (Breite rund 1000 Meter) festgelegt. Im darauf folgenden Planfeststellungsverfahren werde als nächstes die exakte Trassenführung bestimmt. In beiden Verfahren bestehe für Gemeinden sowie Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit, sich einzubringen. Die Rechtsposition der Gemeinden sei dabei allerdings deutlich schwächer als die der privaten Grundstückseigentümer entlang der Trasse. Dr. Spieß wies daher darauf hin, dass sich nicht nur die Gemeinden – möglicherweise miteinander – im Verfahren einbringen sollten, sondern dass auch die Bürgerinnen und Bürger über ihre individuellen Beteiligungsmöglichkeiten informiert und motiviert werden sollten, die bestehenden Beteiligungsmöglichkeiten zu nutzen. Auf ein späteres Gerichtsverfahren zu setzen, beurteilt der Rechtsanwalt als kritisch. Es sei wahrscheinlicher, durch eine aktive Beteiligung im Verfahren die Trassenführung zu beeinflussen, als in einem Gerichtsverfahren eine planfestgestellte Trasse zu Fall zu bringen, so Dr. Spieß abschließend.