Landrätin Tanja Schweiger zur neuen Polder-Debatte

Herber Rückschlag für unsere Region

Regensburg (RL). Gestern wurde veröffentlicht, dass das Bayerische Flutpolderkonzept entgegen der Festlegung im Koalitionsvertrag, der die Standorte Wörthhof und Eltheim ausschließt, nun doch mit dem Standort Wörthhof(groß) weitergeführt werden soll. Für uns ist das ein herber Rückschlag.

Denn aus unserer Sicht muss zuerst die grundsätzliche Frage zur Sinnhaftigkeit der Flutpolderidee aufbereitet werden. Dafür haben wir von 2015 – 2017 mit dem Umweltministerium einen Dialogprozess geführt. Leider wurden diese Erkenntnisse und offenen Fragen bis heute nicht berücksichtigt. Eine Entscheidung für Polder in unserer Region wird dazu führen, dass donauabwärts Flächen besiedelt werden, die bisher tabu waren, weil eine Scheinsicherheit durch die Polder vorgegaukelt wird. Sie passt nicht in eine Zeit, die vom Respekt gegenüber der Natur und der größtmöglichen Vermeidung von Versiegelung der Landschaft geprägt ist. Wir können sie deshalb auch nicht als Solidarbeitrag anerkennen. Im Gegenteil. Hier handelt es sich um eine Einbahnstraße zu Lasten unserer Region. Wir haben den Donauausbau mit Staustufen hingenommen, der so in Niederbayern wegen der freifließenden Donau nicht zumutbar war. Wir bekommen die SüdOstLink-Trasse, die fachlich nach Gundremmingen sollte und politisch in Ingolstadt und Schwaben nicht zumutbar war und wir sollen nun auch noch einen mehrere Meter hohen Stausee in der Größe des Tegernsee bekommen, obwohl in unserer Region bei Starkregen das Wasser bereits jetzt wochenlang nicht abfließt. Wo bleibt die Solidarität mit uns?

Das, und die Zusage von Ministerpräsident Horst Seehofer und Fraktionssprecher Thomas Kreuzer, nicht über die Köpfe der Betroffenen hinweg zu entscheiden, sorgt zusätzlich zum Inhalt dieser Nachricht, für große Enttäuschung in unserer Bevölkerung.

Der eingangs genannte Hochwasserdialog endete zudem mit zwei, bis heute unbeantworteten, essenziellen, gesellschaftspolitischen Fragen: 1. Kostet dieses Polderkonzept mehr als es nützt? 2. Wieviel „Solidarität“ muss der akzeptieren, der schon seit Generationen aus gutem Grund Abstand zum Fluss hält, damit anderswo direkt an den Fluss gebaut werden kann?

Der Umweltminister hat zugesagt, vor Ort die Studie von seinen Fachleuten vorstellen zu lassen, wobei die grundsätzliche Wirkungsweise von Flutpoldern von uns nie bestritten wurde Besonders wird uns dabei interessieren, wieso gegenüber früheren Berechnungen, jetzt plötzlich die doppelte Entlastung in Deggendorf erreicht werden soll.

Wir verstehen aber nicht, warum die Erkenntnisse aus dem Dialogprozess in keinster Weise berücksichtigt wurden. Insbesondere die Frage, warum über einen sinnvollen HQ-100-Schutz plus Klimazuschlag hinaus weitere Maßnahmen beschlossen werden, ohne eine Kosten-Nutzen-Abwägung vorzunehmen. Wie zum Beispiel: „Jetzt kommt endlich der jahrelang verzögerte Hochwasserschutz an der Donau in Niederbayern, warum soll dann bei uns zusätzlich ein künstlich angelegter meterhoher Polderstausee entstehen, um – zusammen mit der Öberauer Schleife – 60 km donauabwärts in Deggendorf 26 cm Flutwellenkappung zu gewährleisten?“

Zumindest wurde durch die intensive Überarbeitung des Flutpolderkonzepts erreicht, dass endlich mit dem HQ100 Schutz auf einer 69 km langen Strecke zwischen Straubing und Vilshofen begonnen wird und man sich erstmals mit Potentialen des Staustufenmanagements auseinandergesetzt hat. Auch wurde endlich erkannt, dass der dezentrale Wasserrückhalt zur Trinkwassergewinnung unabdingbar ist und dadurch auch höher bezuschusst wird. Und es wurde deutlich, dass die Polder bei uns technisch anspruchsvoller und dadurch besonders kostspielig sind.

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Hintergrundinformationen:

1225
Der Kampf mit der Donau ist in der östlichen Region im Landkreis Regensburg historisch. Verschiedene belegte Hochwässer finden sich beispielsweise in der Chronik der Gemeinde Tegernheim sein 1225.

1845
Höchster je gemessener Abfluss in Schwabelweis 3.8880 m/s am 30.03.1845 Seither existieren auch wasserwirtschaftliche Messdaten.

1976
Die Erfahrung mit den unzähligen Hochwässern führten schließlich in den 1970-er Jahren zum Donauausbau. Beim Donauausbau 1976 wurde den Anliegern zugesichert, dass sie mit keinen weiteren Baumaßnahmen im Bereich des Hochwasserschutzes mehr konfrontiert werden: „dass damit dann endgültig Schluss ist“; wenn sie ihre Flächen einbringen. Dies brachte am Ende dann die Hochwasserfreiheit vor Ort mit einem HQ-100 Schutz zuzüglich einem Meter Freibord.

1993
Bereits vor 28 Jahren wurden dann aber sechs Polderflächen, bei Barbing, Sarching, Friesheim und Frengkofen sowie Eltheim und Wörth geplant. Die ganze Region stand Kopf. Der Meinungsstreit ging in eine neue Runde.

2008
Prof. Strobl erläuterte 2007, dass Polder nur Spitzen kappen könnten. Das Ergebnis der Hochwasseranalyse der Obersten Baubehörde von 1988, den Sylvensteinspeicher um 6 statt nur um 3 m zu erhöhen und damit Isar und Donauanlieger zu schützen, scheiterte damals an der dortigen Kommunal- und Landespolitik. Unserer Region wurde nach langem Kampf von der Regierung der Oberpfalz mit Bescheid vom 28.07.2008 verbindlich zugesichert, dass die Fortschreibung des Regionalplans nun ohne Flutpoldergebiete erfolgt.

2013
Der fünfthöchste Abfluss in Schwabelweis wurde mit 2.670 m³/s am 04.06.2013 nachgewiesen; zum Vergleich: HQ 20 = 2.600 m³/s HQ 50 = 3050 m³/s. Nach dem Jahrhunderthochwasser 2013 hat die Staatsregierung ein Flutpolder-Konzept an der Donau entwickelt. Dadurch wurde die Zusicherung, keine Polder in der Region Regensburg zu bauen, faktisch wieder für nichtig erklärt.

2015
Die Zusage der Ministerpräsidenten Horst Seehofer vom 13.10.2015, sowie Markus Söder und des Umweltministeriums, dass nichts gebaut wird, was Schaden zufügt, war ein Silberstreif am Horizont.

2018
Nach einem intensiven, transparenten und hochqualitativen Hochwasserdialog, in den sich Bürgerinnen, Bürger, Verwaltung und Kommunalpolitik einbrachten, kamen CSU und Freie Wähler in ihrem Koalitionsvertrag 2018 überein, einen Baustopp für drei Polder zu vereinbaren. Tenor war, dass die Polder keinen Sinn machen. Bei vielen Menschen in der Region wurden dadurch erneut große Hoffnungen geweckt, endgültig vom Damoklesschwert Flutpolder befreit zu sein. Die Region bewertete dies als logisches Ergebnis aus dem Hochwasserdialog.